Jedes Jahr bieten wir Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und Heilpädagoginnen, die eines unserer „Frühförder“- Kinder betreuen, die Teilnahme an Fortbildungen. Beispielhaft berichten wir von einer solchen Fortbildung:
Mit der Augenbinde mehr gesehen
Selbsterfahrung für Fachkräfte in Kindertagesstätten in Oberfranken
In einer normalen Kindergartenumgebung sollten den Pädagoginnen die Besonderheiten für sehbehinderte und blinde Kinder beim Turnen und auf dem Spielplatz, die es zu berücksichtigen gilt, vermittelt werden.
„Mit solchen Fortbildungen möchten wir Anregungen für den Kindertagesstättenalltag vermitteln, Anstöße für hilfreiche Gestaltung des Kindertagesstätte geben, sowie einen Erfahrungsaustausch ermöglichen“, erklärte Diplompädagogin Maria Miller-Gadumer von der Frühförderung SEHEN des bbs kulmbach. „Besonders hilfreich ist dabei die Selbsterfahrung mit Hilfe einer Simulationsbrille bzw. der Augenbinde.“
“Gisela, wo bist du?“ tönt es. „Hier bin ich!“ antwortet eine Stimme von der gegenüberliegenden Wand und schon rollt eine schwere Kugel in die angegebene Richtung. Die Hände vorsichtig ausgestreckt, versucht die Erzieherin aufmerksam die Bowlingkugel zu orten und zu fangen. Mit einer Simulationsbrille, die nur einen winzigen unscharfen Ausschnitt freilässt ist das gar nicht so einfach. „Ein wenig Angst hatte ich schon vor der schweren Kugel“, erzählt die Heilpädagogin später im Auswertungsgespräch. Angeregt tauschen sich die Pädagoginnen aus, welche Ballfarben zum Untergrund einen guten Kontrast bilden, ob die Kugeln und Bälle mit Hilfe des Geräuschs leicht zu orten waren und welche große Rolle die Blendung durch Licht spielt.
Schon beim Aufwärmen wird deutlich, dass schnelles Bewegen in einer quirligen Gruppe umso schwerer fällt, je mehr der Sehsinn eingeschränkt ist. Manche nehmen automatisch eine Schutzhaltung ein, um niemanden anzustoßen oder fühlen sich gleich sicherer mit einer führenden Hand. Genau wie bei den Kindern auch werden Temperamentsunterschiede deutlich. Manch eine will ganz selbständig experimentieren und riskiert es lieber anzuecken.
Deutlich wird allen Teilnehmerinnen, dass es ganz schön anstrengend ist, längere Zeit mit einem eingeschränkten Sehen bzw. blind zurechtzukommen. „Unsere Kinder sind aber immer in der Situation“ stellt eine Erzieherin fest und einige staunen wie gut die Kinder trotz allem schwierige Situationen meistern.
„Manche Sehleistung können Sehbehinderte nur mit großer Konzentration und für kurze Zeit erbringen“ erläutert Frühbetreuerin Barbara Lauterbach, und wenn ein Kind dann krank ist, muss es unter Umständen viel näher herangehen als sonst." "Dies führt oft zu ungerechten Beurteilungen“ ergänzt ihre Kollegin Sylvia Hintze.
Je länger die Einheit dauert, desto wichtiger wird die Zusatzinformation der anderen Sinne, denn auf ein eingeschränktes Sehen ist nicht immer Verlass.
„Welche Tafel auf der Taststraße gehört denn nun zu meinem Kärtchen?“
Immer wieder streicht der Fuß über die beiden in Frage kommenden Felder, auch der Tast-eindruck mit der Hand hilft nur unwesentlich weiter. Vielleicht gibt ein Kratzgeräusch mit dem Fingernagel mehr Aufschluss? - Das Erforschen des unbekannten Spielplatzes „mit einem deutlich eingeschränkten Sehen bzw. blind“ gerät zum "Abenteuer" und braucht mehr Zeit.
„Wir werden sicher die Wege und Geräte markieren, nachdem wir festgestellt haben, wie wichtig dies ist,“ sagt eine Erzieherin und eine andere berichtet, dass auch die normalsichtigen Dreijährigen mit solchen Signalen weniger stolpern.
Beim Auswertungsgespräch stellen die Teilnehmerinnen heraus, dass auch die anderen Kinder davon profitieren, wenn ein blindes oder sehbehindertes Kind die Gruppe besucht. „Viele der heute vermittelten Angebote sind auch für die anderen Kinder meiner Gruppe gut“, stellt eine Teilnehmerin fest und eine andere ergänzt, wie viel sie durch die Integration des blinden Kindes gelernt habe. Mit einer Menge Anregungen im Gepäck und einer neuen Sichtweise auf das Kind mit Sehbehinderung oder Blindheit in der Gruppe machen sich die Pädagoginnen wieder auf den Heimweg.
Die Frühförderstelle SEHEN des bbs kulmbach betreut blinde und sehbehinderte Säuglinge und Kinder bis zur Einschulung in ganz Oberfranken. Die regelmäßige Betreuung der Kinder und ihrer Familien erfolgt vor Ort. Da die nächste schulvorbereitende Einrichtung für blinde und sehbehinderte Kinder in Nürnberg liegt, werden die Kinder in der Regel in Kindertagesstätten vor Ort integriert. Um diesen Integrationsprozess zu unterstützen bietet die Frühförderung SEHEN des bbs kulmbach für die Kindertagesstätten unter anderem regelmäßig Fortbildungen an. Kontakt über Frau Miller-Gadumer unter der Tel. 09221/924701.
Zurück zu